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Der Tropenwald als Lebensraum

Wie dem Hunger begegnen, wie Ernährungssicherheit schaffen? Wie die weltweit großen tropischen Waldflächen des Äquatorialgürtels als Feuchtzonen erhalten, die noch immer Jahr für Jahr durch Raubbau schrumpfen? Gelingt das nicht, wird das nicht nur die Böden der tropischen Zonen und damit die Lebensgrundlage der dortigen Bevölkerung zerstören, sondern auch klimatische Auswirkungen bis in unsere gemäßigten Breitengrade haben!

In den frühen 1980er Jahren trafen wir zum ersten Mal den Heidelberger Botaniker Prof. Kurt Egger in Rwanda. Sein Name steht bis heute für ein wissenschaftliches und in der Praxis erprobtes Landbausystem, das einen Weg aus der Krise aufzeigt: „Die Agroforstkultur, Traditionelles Agroforstsystem der Baméléké in Kamerun – Ein Modell für angepasste Agrarentwicklung“ oder „Den Hunger bannen, das Klima retten“ waren Titel seiner Arbeiten.

Prof. Egger erzählte uns, wie er in den 1970er Jahren auf alte Aufzeichnungen von Missionaren in den Kolonien stieß, in denen sie detailliert die traditionellen Anbaumethoden der bäuerlichen Bevölkerung in verschiedenen tropischen Regionen in Afrika beschrieben.

Er fing an zu suchen, unternahm mehrere Forschungsreisen nach Kenya, Tansania, Kamerun und Madagaskar und entdeckte dort noch vorkoloniale, völlig intakte Landbausysteme wie z.B. bei den Baméléké in den tropischen Bergwäldern Nordwest-Kameruns. Auf zwei seiner Forschungsreisen zwischen 1985 und 1987 haben wir ihn nach Kamerun begleitet und dort das autochthone Anbausystem der Baméléké filmisch dokumentiert, das sie seit Jahrhunderten betreiben und bei der Einführung von Monokulturen durch die Kolonialmächte erfolgreich verteidigt hatten.

In Kamerun: Prof. Egger im Gespräch mit Paul Kuettché, der ihm seinen Feldanbau mitten im Wald erklärt

Noch heute wirtschaftet der Landwirt Paul Kuettché nach diesem Anbauprinzip. Es ist so einfach wie genial: Dem stufenförmigen Aufbau der Pflanzenwelt des Tropenwaldes abgeschaut, ordneten die Menschen unter dem dichten Blätterdach der Baumkronen Mischkulturen stufenweise so an, dass jede Pflanze der darunter stehenden Schutz gegen die heftigen Tropenregen und die heiße Sonne bietet: so stehen Bananenstauden über Mais, Hirse oder Maniok, diese wiederum über Süßkartoffeln, Kürbis oder Bohnen, die den Boden völlig bedecken und ihn vor Ausschwemmung und Austrocknung schützen. Ein in sich geschlossenes, dem extremen Tropenklima mit seiner heißen Sonne und heftigen Platzregen angepaßtes System, das durchgehend Feuchtigkeit speichert, das Mikroklima in der Region begünstigt und Bodendegradierung und Desertifikation verhindert. Mit diesem Anbausystem, auch Eco-Farmimg genannt, erzielen die Bauern bis heute ständige Ernteerträge – auch in Zeiten der Dürre!

Prof. Egger nahm es zum Vorbild für ein ökologisches Anbaukonzept mit Baumüberbau auf den Feld, mit dem er die Hoffnung verband, vom Hunger bedrohte Länder zu einer langfristig ertragreichen Landwirtschaft zu verhelfen. Zusammen mit der GTZ (heute GIZ) implementierte er in Nyabisindu im Süden von Rwanda das Projekt Agro-Pastoral – das erste moderne, ökologische Wald- und Landbauprojekt, das sich vom Anbau mit Monokulturen verabschiedete.

Aufforstung eines Hügels – 8 Jahre danach wieder ein Wald

In den 1980er Jahren, in einer Zeit, in der jegliche ökologisch orientierte Landbaupraktiken auf massive Widerstände stieß, war Kurt Egger davon überzeugt, dass man an den meisten Standorten ohne die externen Inputs (chemischem Dünger, Unkrautvernichtungs- und Insektenmittel usw.) auskommen könne, wenn man nur die Methoden einer Kreislauf- wirtschaft sorgfältig anwendete (Fruchtfolgen mit Brache, organische Düngung etc.). Sein Credo war die „Mobilisierung der lokalen Produktivkräfte“, wodurch bäuerliche Betriebe in den Entwicklungsländern und deren Volkswirtschaften von ausländischen Nahungsmittelimporten weitgehend unabhängig gehalten werden sollten. Dies ist ein wichtiges entwicklungs-politisches Element des Ecofarming.

Die Forschung in Nyabisindu lieferte dann den überzeugenden Beweis, dass die kombinierten Systemleistungen des Ecofarming zusammen mit der verbesserten Nachhaltigkeit den „konventionellen Alternativen“ an diesem Standort weit überlegen waren.

Agro-Pastoral errang weltweit große Beachtung. In Rwanda, dem Land der 1000 Hügel, wurden ab 1984 Kernelemente des Ecofarming zur Regierungspolitik. Über einen Zeitraum von 15 Jahren haben wir von Beginn an die Umstellung der seit der Kolonialzeit in Monokultur bestellten Felder auf den neuen „ökologischen Landbau“ begleitet und den Nutzen, den er für die bäuerliche Bevölkerung und den Klimaschutz einnimmt, dokumentiert. Mit Filmen wie „Wissen ist ihr Brot von Morgen“, „Früchte im Dschungel“ oder „Agroforst – Kampf gegen Hunger und Dürre“, die in Deutschland und von der Deutschen Welle in über 80 Ländern ausgestrahlt wurden, und Beiträgen für die Bildungsarbeit (Medienpakete) konnten wir dazu beitragen, diesen Ansaz und seinen Nutzen wahrzunehmen.

Mit dem Genozid 1994 wurde diese Entwicklung jäh unterbrochen. Die neue Regierung setzte zunächst wieder auf Monokulturen in der Hoffnung, damit die notleidende Bevölkerung schnell und ausreichend ernähren zu können. Mit den unvermeidlich negativen Folgen von Bodenverlust und Ernterückgängen. Ab 2005 setzte sie wieder auf Mischkulturen und den Erhalt der Wälder. Wohl auch, weil das global wachsende Bewusstsein für Klimawandel, Bodendegradierung, Desertifikation und Ernährungssicherung politisch relevanter wurde: Die Studie des Met Office’s Hadley Centre for Climate Prediction and Research prognostizierte, dass wegen der fortschreitenden Dürren und Überschwemmungen sowie dem bisher nicht zu stoppenden Raubbau an der Natur in wenigen Jahrzehnten ein Drittel der Erde praktisch unbewohnbar sein wird.

Davon betroffen sind in besonderem Maße die tropischen Waldregionen. Länderübergreifend begannen Agrar- und Waldfachleute Konzepte zu entwickeln, mit denen sie die Wälder restaurieren und degradierte Ökosysteme wieder herstellen können. Rwanda gehört zu den Ländern, die sich um Aufforstungen und den Aufbau von baumreichen Landschaften mit landwirtschaftlicher Nutzung bemühen. Mit dem Ziel, weitere Bodenverluste zu verhindern, gleichzeitig zusätzliches Kohlenstoffdioxid zur Stabilisierung des Klimas zu speichern und den bäuerlichen Familien regelmäßige Einkünfte zu sichern.

Abholzung und Erosion vs. Ecofarming unter Bäumen

Anknüpfend an unsere jahrelange Begleitung von Agro-Pastoral werden wir den heutigen, systemischen Ansatz der wegweisenden Projekte in Rwanda wieder filmisch dokumentieren. Dabei legen wir ein Hauptaugenmerk auf die praktische Umsetzung der Maßnahmen und die Informationsarbeit für die Bevölkerung. Denn diese zu überzeugen, ihre Felder umzustellen und in gemeinschaftlicher Arbeit Wälder aufzuforsten, braucht gute Schulungsprogramme und fachkundige Anleitung und Beratung vor Ort.
Inzwischen hat die rwandische Regierung auch ein praxisorientiertes Bildungskonzept für die Schulen entwickelt. Agroforstwirtschaft und Ressourcenschutz wurden in den Biologie-Unterricht mit aufgenommen und die Kinder lernen schon in der Primaschule nachhaltige Anbaumethoden, die sie in der Praxis im Schulgarten umsetzen.

Das Medienpaket

Diese beispielhafte Entwicklung wollen wir mit einem Medienpaket für die Informations- und Bildungsarbeit unterstützen, im deutschsprachigen Raum und mit einer mehrsprachigen Fassung für die Länder im Äquatorialgürtel – für Schulen, Berufsschulen, Agrarfachschulen, Universitäten. Das Medienpaket enthält Filme und zahlreiche Begleitmaterialien (Fotos, Grafiken, Fachartikel, Hintergrundinformationen), die wir mit rwandischen und deutschen Agrar- und Waldfachleuten zusammenstellen und aufbereiten.

Für die Fertigstellung des Medienpakets benötigt die Terra Media Akademie e.V. noch finanzielle Mittel. Wir freuen uns daher über jede Unterstützung, über jede Spende, die dieses Projekt mit auf den Weg bringt. Herzlichen Dank!

 

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